Der Begriff „Mut“ begleitet mich schon seit längerer Zeit. Bereits im Studium habe ich mich am Rande mit ihm beschäftigt und irgendwann mal eine kleine Phänoemnologie geschrieben, um für mich Abgrenzungen und Beziehungen zu anderen Begriffen zu klären. Eigentlich ist es eine kleine erste Annäherung an den Begriff. Der nachfolgende Text ist daraus entstanden. In der Auseinandersetzung mit dem Begriff beschäftigt mich die Frage, wie es möglich ist über Bildungsprozesse moralische Verantwortlichkeit zu entwickeln und diese historisch und sozial wirksam werden zu lassen. Soziokulturelle und ökonomische Verfallstendenzen nicht nur zu erkennen, sondern gegen sie mit dem eigenen Lebensentwurf anzutreten. Any ideas? Was ist Mut für Euch?
Mut ist für mich die Kraft des Denkens ausgelöst durch eine Option (und infolge dessen auch Emotion), die einen so sehr affiziert, dass aus Liebe (Leidenschaft) zu dem Objekt und aus dem Wissen, dass die Option wahr und richtig ist, gewisse Dinge tapfer zu ertragen oder konkret zu handeln möglich wird.
Dabei liegt der Option ein höherer Zweck oder ein tieferer Sinn zugrunde, aus dem sich all die Kraft des Denkens schöpft. Mut und Kraft sind dementsprechend unmittelbar an die Auseinandersetzung mit der Welt und der darin enthaltenden Option verbunden und münden damit in ein Denken, dessen Ziel eine Entscheidung oder ein Urteil ist. In der Auseinandersetzung mit der Welt kommt es zu einem Abwägen der Optionen und somit zu einer Bewegung im Inneren (im Denken) zu allen Risiken, Ängsten, Folgen aber auch zu Aussichten auf einen glücklicheren Ausgang. Dieses Abwägen sehe ich vor allem in Gesprächen mit anderen in der Verbindung einer Bildung im Medium der Wissenschaft und der Kunst.
Die Kraft des Denkens schöpft sich aus dem Festhalten an die Hoffnung auf ein besseres Leben, aber auch aus der Hoffnung auf eine bessere Welt. Sie schöpft sich aus Idealen, die die Urteilskraft im Denken hervorgebracht hat und zeigt sich im zweiten Schritt als Charakterstärke, die sich in der Form des Eigensinns oder der Willensstärke präsentiert. Die Charakterstärke zeichnet sich dadurch aus, dass ein Mittelweg gefunden wird, nicht dem Übermut oder der Feigheit zu verfallen, sondern in einem Abwägen der Optionen zu handeln. Ignoriert werden dabei nicht die Abhängigkeiten, sondern im Wissen dieser oder besser im Gebrauch dieser wird gehandelt. Der Sinn hinter diesen Abhängigkeiten wird gesucht, um für das, wofür man einstehen möchte, im Wissen der Gefahren mutig zu handeln. Es ist ein Suchen nach der Weisheit in den Regeln, Ordnungen und Regimen, um sich selbst zu einer Selbstregierung im Sinne einer Hinwendung zur Kardinaltugend zu ermutigen.
Die Konsequenz, die daraus entsteht, ist folgende: Ohne Bildung gibt es keinen Mut, aber ohne Mut auch keine Bildung. Vielmehr wäre Mut ohne Bildung Wagemut oder Übermut und Bildung ohne Mut keine Bildung, sondern nur Erziehung. Mut wäre demnach für mich eine überlegte Entscheidung, eine Gefahr einzugehen oder auszuhalten aus Liebe/Leidenschaft zum Guten in der Hoffnung auf einen glücklicheren Ausgang. Die Frage, die mich dahingegen beschäftigt ist, ist wann Mut die Dimension des Wagens bekommt? Wann wird aus der Haltung mutig zu sein eine Handlung? Denn ich gehe davon aus, dass erst der Mut aus unseren Idealen und Werten erlebbare Wirklichkeit macht.
Mut ist für mich nicht das Eingehen von Gefahren aus Leichtsinn oder aus einem Impuls. Für mich stehen hinter einer mutigen Handlung eine Entscheidung und die Zuversicht auf einen sinnvollen Ausgang, die einen dazu bringen sich Widerständen tapfer entgegenzustellen. Gleichzeitig ist Mut durchdrungen von einem Impuls oder einer Kraft, der noch etwas anderes ist als der Verstand oder die Vernunft.
So ist Mut für mich nicht die Zurschaustellung des Mutes als Akt oder die Erhöhung des Sex-Appeals durch Eingehen von Extremsportarten, Drogen oder tollkühne finanzielle Spekulationen. Übermut, Leichtsinn und Torheit sollten in diesem Fall nicht mit Mut verwechselt werden. Mut ist vielmehr ein wichtiger Bestandteil von Bildung, der durch den Blick auf seine Sozialgestalt wichtige Zusammenhänge von Bildung zu betrachten möglich macht.