Mein erster Blog-Beitrag entstand aus einer Idee meines Vorgesetzten für die ganze Abteilung. „Was halten Sie davon“, schlug er vor, „jeden Morgen den Home-Office Alltag mit einem lieben Gruß ihrer Kolleg*innen zu beginnen? Jede*r bekommt ein Datum zugeteilt und verschickt an diesem Tag liebe Grüße an alle und wer will, auch einige Eindrücke aus seinem Home-Office Alltag“ –mhh, okay, dachte ich. Da kannst du dich nicht rausziehen, wenn du die Option, neue interessante Menschen über die Arbeit kennenzulernen, nicht verpassen willst. Gleichzeitig hatte ich etwas Sorge und keinen Schimmer, woran meine Kolleg*innen aus meinem Alltag interessiert sein könnten. Vor allem, weil mein Home-Office-Alltag sich bis zu diesem Zeitpunkt noch in der, so wie ich sie liebevoll genannt hatte, „Orientierungsphase“ befand (Schlafanzug, Chaos-Schreibtisch, Osternest im und auf dem Kopf und viel zu viel Kaffee, weil dieser sich auf einmal nur noch insgesamt vier Schritte anstelle von einer ganzen Etage von mir entfernt befand). Na gut, dachte ich, raus der Komfortzone und rein ins Word-Dokument.
Ich schrieb und schrieb, feilte hier und dort und heraus kam eine Morgenmail an meine Kolleg*innen, die ich gar nicht mal so schlecht fand. Überrascht von der Leichtigkeit, die mich beim Schreiben überfiel und der Energie, die ich aus diesem Schreibprozess zu gewinnen schien (ich konnte die darauffolgende Nacht nicht mehr schlafen, weil mir noch tausend Themen durch den Kopf schwirrten) entwickelte sich die Idee, einen Blog zu schreiben. Ich sah mich schon, so wie andere Bloggerinnen, in meiner bis auf die letzte Ecke durchgestylten Wohnung (gut, bei diesem Punkt müsste ich noch etwas nachhelfen) meinen Mandelmilch-Latte schlürfen und über meine letzten coolen Events bloggen.
Außerdem ist doch Bloggen die größte Motivation, sein Leben mit dem gewissen „Mehr“ zu füllen – man, was für ne großartige Strategie sein Leben aufzupeppen! Ich lese von nun an nicht nur, wie man hyggt (was ist eigentlich das Tu-Wort von Hygge?!), sondern ich verinnerliche diesen Lifestyle durchs Schreiben. Schließlich wäre ich durch das Betreiben meines Blogs quasi gezwungen, das Beste aus meinem Leben herauszuholen, um genügend Content zu haben. Kunstausstellungen, Restaurants, Clubs. Halt Stopp: Clubs? Ich gehe doch überhaupt nicht gerne in Clubs. Fesche Frühstücksrestaurants? Mhhh, ich glaube ich bin morgens nicht gesellschaftsfähig. Wow…irgendwie…vielleicht ist das ganze doch nicht so cool und lässig, sondern ziemlich anstrengend? Funkruf an den Reni-Verstand: bitte kommen!
Jetzt mal Klartext an mich selbst: Warum will ich überhaupt bloggen? Was steckt hinter diesem Impuls? Oh nein! Jetzt hab ich’s! Und gleichzeitig wünsche ich mir, dass es genau DAS nicht ist: Bitte nicht die Selbstdarstellung bei Instagram & Co. Die ich in Gesprächen mit meinen Freundinnen immer so sarkastisch ins Lächerliche ziehe. Mist. Oder bin ich dem jetzt auch verfallen und verstecke dies nur unter dem Deckmantel des Schreibens? Mist! Mist! Mist! Corona, Langweile und Einsamkeit – toxische Mischung! Over and out an den Reni-Verstand.
Auf dem Boden der Selbstreflexion kommen diese Funksignale in meinem euphorisiertem Gehirnabteil an und ich mache mir von da an ernsthafte Gedanken: Zielgruppe?! Themen?! Welche politische Message? Überhaupt politisch? Überforderung. Ich frage mich: Kann ich nicht erstmal nur Schreiben und schauen, wohin mich meine Schreibe-Reise führt?
Eingeschnappt denke ich jetzt wie ein kleines Kind: Im Moment kann man ja sowieso nicht reisen, da muss es doch möglich sein, sich zumindest gedanklich treiben lassen zu dürfen. Ohne Ziel. Ätsch. Also, warum nicht mal ohne Navigation den Weg antreten.
Einen Moment später höre ich auf einer anderen Frequenz: Mach et einfach! Und ich denke: schön, dass sich doch noch ein bisschen Ruhrpott in meinem Inneren festgesetzt hat. Und siehe da: nach ein paar Tagen Gehirnschmalz-Produktion, steht die grobe Idee zu meinem Blog.
Mein Thema: Geschichten für und mit Düsseldorfer Frauen. Der Grundgedanke dahinter: Inspiriert durch Kunst, Literatur, gutes Essen und die großartigen Begegnungen mit spannenden Frauen in meiner neuen Wahlheimat Düsseldorf einen Blog aufzubauen, der gerade NICHT einen Lifestyle suggeriert, dem jede*r hinterhereifert, sondern Themen aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch in den Mittelpunkt stellt, die Frauen wirklich inspirieren, bewegen oder ärgern. Na gut. Aber leider lag damit immer noch ein dicker fetter Wollknäuel Gedanken vor mir und noch keine konkrete Idee für den nächsten Blogbeitrag. Zunächst müsste ich ja selbst bloggen und nach und nach, so stellte ich mir das zumindest vor, würden Gastbeiträge von Freundinnen dazu kommen.
Freundinnen. Das ist das Stichwort. Ich greife zum Hörer und bete, dass die Stimme meiner besten Freundin mich auf irgendwelche Ideen für den nächsten Blogbeitrag bringt. Wir sprechen über dies und das, Ananas und über Wut. Warte mal ganz kurz: Wut? Spannend. Wann bin ich wütend? Wann sind andere wütend? Woher kommt Wut? Na gut, du Wut, Dich nehme ich mir beim nächsten Mal vor.
Überrascht von diesen ganzen Gedankenwendungen bin ich beruhigt: hier haben wir doch schon die Reise ohne Navigation. Über die hügeligen Wege der Funkgespräche mit dem eigenen Gedanken-Wollknäuel, auf die Fährte der Telefonie hin zum Thema Wut und damit zu einer Zielnavigation für den nächsten Blogeintrag.
Da kommt kein Gehygge ran, denke ich stolz und kuschele mich in mein Sofa. So, geht reisen in Zeiten von Pandemie halt auch.